Anna und ich saßen schweigend nebeneinander. Während Anna vor sich hinstarrte, blickte ich sie prüfend von der Seite an und wartete darauf, dass sie etwas sagte und sich erklärte.

»Was hattest du denn gedacht, Fra’, das passiert, wenn wir uns wieder einmal treffen?« Annas Frage klang wie ein Vorwurf. »Etwa, dass wir da weitermachen, wo wir damals aufgehört haben?«

Ich ließ einige Zeit verstreichen, bevor ich antwortete und mich dabei bemühte, ganz ruhig zu bleiben. »Nein, weshalb hätte ich das denken sollen, Anna? Aber natürlich habe ich mich gefragt … du hattest keinen Grund, dich bei mir nach so langer Zeit zu melden. Du hättest den Rest unser beider Leben weiter schweigen und verschwunden bleiben können. Und ich hätte nichts dagegen tun können. Warum hast du das Schweigen gebrochen? Warum hast du mich angerufen?«

Anna hatte keine Antworten auf die Fragen und starrte wieder auf die Tischplatte vor sich.

»Anna! Warum sitzen wir hier? Was ist das hier?«

»Ich weiß es doch auch nicht.«

Sie hatte erneut ganz feuchte Augen und das rührte mich an. Ich beugte mich vor, legte ihr eine Hand auf den Rücken und streichelte sie ein wenig, um sie zu beruhigen.

»So sag doch, Anna, ich verstehe es ebenso wenig wie dein Verlobter.«

»Ich verstehe es auch nicht, Fra’. Du hast mir in all den Jahren immer so sehr gefehlt. Das habe ich mir selbst nie eingestanden. Und ich wusste immer, ich muss hart bleiben – nicht nur dir gegenüber, sondern vor allem auch für mich selbst. Das hat lange gut funktioniert. Ich habe einfach immer über dich gesprochen, habe von dir erzählt und so war es für mich ein bisschen, als wärst du immer da, nur einfach an einem anderen Ort. Und dann habe ich dich in Florenz gesehen, wie du mich gesucht hast.«

»Und? Das hat etwas geändert?«

»Ja, hat es wohl. Ich habe gemerkt, dass es mir nicht mehr genügt, mir oder auch Davide gegenüber einfach so zu tun, als wärst du immer noch ein Teil meines Lebens. Ich wollte, dass es wirklich wieder so ist!« Sie hatte zu weinen begonnen und schloss peinlich berührt die Augen und senkte ihren Kopf, um mir das nicht so offen zu zeigen.

»Ach herrje, stellina, so wein doch nicht!«

Anna hob ihren Kopf und blickte mich mit feuchten Augen an. Ihre Schminke war bereits komplett verlaufen. »Fra’, ich habe dich all die Jahre so sehr vermisst!« Sie schlang ihre Arme um mich und zog mich in ihren Arm, um mich ganz fest zu umarmen. »Che merda – fuck! Ich habe dich so schrecklich vermisst!«

Ich erwiderte Annas Umarmung und hielt mein wiedergefundenes Wunder ganz fest in meinem Arm. Mich durchströmte eine Mischung aus purem Glück und großer Panik, während ich Anna sanft hin und her wiegte, um sie zu beruhigen.